Samstagskolumne Peter J. König 19.05.2012

Politik generell, politischer Stil speziell  und Frau Merkel im Besonderen.

Die Woche nach der Wahl in NRW hat so deutlich wie selten gezeigt, um welche Spezies Mensch  es sich bei Politikern handelt, zumal wenn sie sich schon einige Jahre an der Droge Macht berauscht haben.  Dann scheinen wohl alle Dämme des zivilisierten Anstands zu brechen, es gilt allein die Losung:  jedes Mittel ist auf  jede Art Recht, solange es nur dem Machterhalt dient, und man selbst keine Kratzer oder gar Beulen davon trägt.

Die Art und Weise wie die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende  sich am Mittwochnachmittag ihres  Zöglings Norbert Röttgen  entledigt hat, zeigt auf der einen Seite,  wie  selbstherrlich Frau Merkel ihr politisches  Geschäft mittlerweile  betreibt, sie diktiert das Geschehen ohne Rücksicht auf ihre Partei und deren Landesverbände, mit einer gnadenlosen Härte, und dabei war es ihr völlig wurscht, ob die beiden Tage zuvor aus ihrem unmittelbaren politischen Umfeld noch Zusicherungen für den Verbleib ihres Umweltministers abgegeben worden sind, auf der anderen Seite sind dies aber auch deutliche Erosionserscheinungen  des Merkel’schen Machtapparates, getrieben von der zunehmenden Angst  des drohenden Machtverlustes.

Nur so ist die blitzartige Aktion der Enthauptung ihres einstigen  Musterknaben zu deuten, dass sie dabei  nicht einmal mehr das Rückgrat hatte, dies ihrem langjährigen Gefolgsmann selbst ins Gesicht zu sagen, ihm zwecks Gesichtswahrung  einen persönlichen Rücktritt zu ermöglichen, wenn auch unter Umständen gepaart mit mütterlichem  Nachdruck, zeigt die Verrohung der politischen Sitten in unserem Staat, zeigt aber auch, dass es Zeit wird, dass die Kanzlerschaft von Frau Merkel  dem Ende zu gehen sollte.

Unzweifelhaft sind bei der Bundeskanzlerin Tendenzen zu erkennen, die sie einst unter Kohl miterleben durfte, das Klammern an die Macht,  unter  Inanspruchnahme aller  lauteren- und unlauteren Mittel, ein bedenklicher Zustand in einer Demokratie.  Die Gefahr besteht einfach darin, dass Frau Merkel den nötigen  Abstand  zur  Macht, die mit ihrem Amt verbunden ist, verloren hat, dass sie immer mehr von der Vorstellung  beseelt wird, sie sei die Mächtige, sie als Person Angela Merkel entscheide über die Angelegenheiten unseres Staates, und nicht die Person die gerade das  Amt des Bundeskanzlers inne hat. So wie bei Kohl glaubt sie, es gäbe keine Alternative  in absehbarer Zukunft  für diesen Posten und deshalb darf jedes Mittel Recht sein, um ihr diesen Platz zu erhalten, selbstverständlich auch das "Abschlachten"  von potentiellen Konkurrenten aus der eigenen Partei, so wie in den vergangen Jahren erlebt, zum verheerenden Aderlass der CDU, die komplett ausgedünnt ist, was ihre Führungsriege anbetrifft.

Es wird Jahre dauern, bis eine neue Generation von fähigen, geeigneten und jüngeren Nachwuchspolitikern  bei den Christdemokraten nachgewachsen ist, die in der Lage sind, sich politisch durchzusetzen, um wieder die Führung in unserem Land zu übernehmen, wenn im nächsten Herbst der Führungswechsel stattgefunden hat. Alle Indikatoren zeigen an, dass uns eine Änderung der politischen Großwetterlage  bevorsteht.
Die Menschen sind nicht mehr gewillt, sich dem konservativen, neoliberalen  Machtgebaren zu unterwerfen, zumal wenn sie millionenfach nicht mehr von ihrer Arbeit leben können, und staatlichen Unterhalt in Anspruch nehmen müssen, während eine kleine Gruppe von geldgierigen Managern Billionen verzocken,  um sie dann noch den Bürgern als Staatsschulden aufzulasten. Hier haben die Konservativen  versagt, sie sind den mächtigen Bankern hinterher gehechelt, anstatt sie bei den ersten Auswüchsen an die Kandare zu nehmen, und selbst nach den Rettungsaktionen hat sich nichts geändert, die Gierhälse zocken fröhlich weiter.
Den Anfang hat Frankreich gemacht. Der Wechsel des französischen Staatspräsidenten bedeutet nicht nur ein Wechsel in der Person, es ist  ein Wechsel in der politischen Anschauung, ein Wechsel von Konservativ  zu Sozialismus, ein Wechsel der in erster Linie das Volk, sprich den kleinen Bürger im Auge hat, und nicht die Interessen der Reichen und Schönen, einst die Entourage von Sarkozy. Dem französischen Beispiel werden weitere europäische Staaten folgen. Entsprechende Tendenzen sind schon in den Niederlanden zu sehen, der politische Wind hat sich gedreht, von rechts nach links, und er wird noch viel stärker wehen, und so manche konservative  Regierung in den europäischen Ländern aus dem Amt blasen. In Deutschland wird es bei der  Bundestagswahl im nächsten Jahr soweit sein, und der Grund ist in allen Ländern immer der gleiche. Die Menschen haben das Vertrauen in konservative Politik verloren, bedingt durch die zunehmende Verarmung in vielen Ländern, bei extrem hoher Arbeitslosigkeit von jungen Menschen, die riesige Staatsverschuldung in allen europäischen Staaten,  und die Konzentration von Kapital bei einigen wenigen, während die Verelendung  auch bei uns weiter fortschreitet. Das werden die Menschen nicht mehr hinnehmen, sie sind gewillt dagegen aufzustehen, der Aufstieg der Piratenpartei ist dafür ein erster Beweis.
Das zumindest Horst Seehofer, der bayrische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende begreift, was die Stunde geschlagen hat, wurde auch in der letzten Woche sehr deutlich, als er in ungemein öffentlicher Fernsehschelte, zwar Herrn Röttgen  genannt, aber die Kanzlerin gemeint hat, und sie unmissverständlich  als führungsschwach bei dem "handling" der NRW-Wahl sah. Die Konservativen sind hochgradig nervös, zumal auch noch die beiden auferstandenen Liberalen Kubicki und Lindner erkennen lassen, dass sie durchaus Geschmack an einer linksliberalen Verbrüderung  haben könnten, wie einst ihre altliberalen Ziehväter, Genscher und Baum, die es sich nach vielen Jahren der Abstinenz nicht nehmen ließen, bei der NRW-Wahl wieder für Lindner in den Wahlkampf  zu ziehen, mit Erfolg wie man erleben durfte. Speziell Genscher riecht besonders früh, wohin sich der politische Wind dreht, und diesem folgt er dann zielsicher. Sein politisches Vermächtnis wird sein, diesen Instinkt bei Lindner zu wecken, da er in ihm die wichtigste politische Führungskraft der F.D.P. in der Zukunft sieht.
Und was sieht Lindner in der Zukunft?  
Kurz und knapp, er sieht eine Koalition mit Rotgrün durch die veränderten Bedingungen der Parteienlandschaft, sozusagen als Mehrheitsbeschaffer, aber auch als Erneuerer der Liberalen, weg vom neoliberalen Gedankengut eines Westerwelle, hin zum zeitgemäßen Linksliberalismus der kommenden Dekade.
Nun ja, und was rollt auf  Frau Merkel noch so alles zu?
Aktuell trifft sie in "Camp David" auf dem G8-Gipfel die Führer der wichtigsten Staaten der Welt, und da sind zumindest  einige von ihnen  mit der Politik der Kanzlerin nicht einverstanden, was die Bewältigung  der Staatsschuldenkrise in Europa anbetrifft. Besonders Obama und Hollande werden der deutschen Lady dringlich raten, neben ihrem Sparkurs unbedingt etwas für neue Investitionen in Europa zuzulassen, sprich die europäischen Sparbeschlüsse aufzuweichen, zumindest sie zu ergänzen.  Dann wird Angela Merkel erkennen, dass sie umzingelt ist von lauter Schuldenmachern, und kein Sarkozy ist weit und breit in Sicht, der ihr das Gefühl gibt, mit diesen Jungs werden wir gemeinsam locker fertig, denen werden wir schon zeigen, wo es lang geht. Dann wird auch sie spüren, dass der Wind sich gedreht hat, und ihr jetzt weitaus stärker als früher ins Gesicht bläst.
Peter J. König


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