Samstagskolumne Peter J. König 13.12.2014

Demokratie ist untauglich, wenn die Politik nur von einigen wenigen Politikwissenschaftlern verstanden wird. 

Pegida, das Sammelbecken für allgemeinen Frust und Unzufriedenheit von einigen Tausenden von Bürgern zeigt gerade in Dresden, dass hierzulande nicht alles zum Besten steht, trotz guten Wirtschaftsdaten und sprudelnden Steuerquellen. 

Dabei ist sowohl der Begriff, der hinter diesem Kürzel steht: "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", als auch die Gruppe der Initiatoren völlig irrational und bedarf dringend einer Aufklärung. Um es gleich vorweg zu sagen, mittlerweile hat sich gezeigt, dass trotz Sprechverbot gegenüber den Medien, die den Menschen, die bei den Kundgebungen mitgemacht haben, auferlegt wurde, ein entsprechendes Maß an Bereitschaft notwendig ist, diese wirklich ernst zu nehmen. 

Dabei muss jedoch unterschieden werden, ob es sich hierbei um Rechtsradikale, Neonazis, politische Wirrköpfe oder verunsicherte Bürger aus der Mitte der Gesellschaft handelt. In Dresden ist die Zusammensetzung der Demonstranten vielfältig. Über das braune Gesindel, das sich lautstark mit Hassparolen gegen alles Fremde artikuliert, muss hier nicht großartig debattiert werden. 

Die Begrifflichkeit, unter der diese Veranstaltungen stattfinden, ist ebenso absurd, wie die Glaubwürdigkeit der Initiatoren, die hinter Pegida stehen. Eine Islamisierung Europas findet de facto nicht statt, nicht einmal eine vermeintliche Überfremdung und schon gar nicht in Sachsen, dem Bundesland mit der mit Abstand niedrigsten Quote von Menschen mit Migrationshintergrund. 

Sprecher und Hauptdrahtzieher dieser Kundgebungen ist eine Person namens Bachmann, der sich nach mehreren Verurteilungen der Haftstrafe entzog, indem er nach Südafrika geflohen ist. Von dort wurde er nach Deutschland ausgeliefert und er hat anschließend hier seine Strafe abgesessen. Mittlerweile betreibt er offiziell eine Werbeagentur in Dresden, von wo er mit einigen Freunden diese Montagsaufläufe organisiert. Dabei spricht er gezielt die Menschen an, die sich als Verlierer der Wiedervereinigung fühlen, als auch die Enttäuschten, die glauben, die Politik habe sie im Stich gelassen, indem ihr Wohlstand gefährdet sei, durch illegale Einwanderung und steigende Flüchtlingszahlen. 

Dass solche Rattenfänger wie Bachmann nicht nur das rechte Gesindel auf die Straße zieht, sondern auch Bürger, deren Interesse eher unpolitisch ist, viele haben mittlerweile die Teilnahme an Wahlen abgelehnt, muss alle Demokraten aufschrecken. Wenn man sich dabei die Transparente ansieht und anhört welchen Slogans von den Rednern applaudiert wird, kommt doch ein Bild zum Vorschein, das weit über Politikverdrossenheit hinausgeht. Hier wird mittlerweile vom krassen Versagen des demokratischen Staates gesprochen, da sich "die da oben" alles angeeignet haben, keinerlei Rücksicht mehr auf das Volk nehmen und Deutschland an das Großkapital verscherbelt. 

Deshalb würde man auch wie 1989 mit Montagsdemonstrationen in die Öffentlichkeit gehen, um zu zeigen, wer eigentlich das Volk ist, um sich so wieder Gehör zu verschaffen. Obwohl diese Vorwürfe absurd sind, muss die Politik diese Haltung ernst nehmen, schon um einer Radikalisierung vorzubeugen. Die Bundesrepublik mit der DDR zu vergleichen, ist per se Nonsens. Allein die Feststellung dieser Tatsache wird die Menschen, die ihre Ziele nach der Wende nicht umsetzen konnten, nicht überzeugen. Der Frust und die Niedergeschlagenheit muss ein Grad erreicht haben, der so groß ist, dass sie nicht bereit sind,  mit den Medien zu sprechen, da diese angeblich alle nur lügen.

Hier werden Parallelen mit der DDR gezogen, ebenso sind sie nicht Willens mit Andersdenkenden zu diskutieren. Bachmann und seine Pegida-Clique haben deshalb Schweigemärsche verordnet, zuweilen werden aber doch Rufe nach Putin laut, dem starken Mann in Russland, was noch mehr Befremden und Nachdenklichkeit hervorruft.

Was ist jetzt zu tun? Auf keinen Fall dürfen die Demonstranten weiterhin mit dem rechtsradikalen Einfluss der Pegida- Initiatoren allein gelassen werden. Dazu ist es notwendig, die wirklich verunsicherten Menschen ernst zu nehmen. Dies bedeutet, sie nicht gleich in die rechte Ecke zu stellen. Die Politik, sowohl in Sachsen als auch in der gesamten Bundesrepublik muss auf die verunsicherten Bürger zugehen, und zwar seitens aller demokratischen Parteien.

Das Schlimmste wäre jetzt ein hirnloses Politikergezänk. Es ist dringend notwendig eine Plattform zu schaffen, wo die Enttäuschten sich frei artikulieren können, und zwar ohne die Vormundschaft von Bachmann und Co. Ihnen wird zu verdeutlichen sein, dass sie sich nicht instrumentalisieren lassen dürfen. Es muss klar werden, dass die Ziele von Pegida nicht die gleichen wie die ihrigen sind. Weiterhin sollte es gemeinsame Diskussionsrunden geben, in denen sich die Politik den Fragen dieser Menschen stellt, nachdem sie zunächst bereit sind, zuzuhören welche Ängste und Bedenken diese Bürger umtreiben, so dass sie auch spüren, dass sie tatsächlich ernst genommen werden. Jetzt ist Basisarbeit gefragt, Sonntagsreden und abgehobene Podiumsdiskussionen à la Fernsehtalkshows der bestehenden Form können hier nichts mehr bewirken

Die Menschen wollen sich Gehör verschaffen und wenn dies in ihrem Sinne nicht möglich ist, stimmen sie mit den Füßen ab. Das ist dann die Stunde der Rattenfänger und wie so etwas endet, hat Deutschland schon einmal 1933 erlebt. In der heutigen Zeit, in der sich Politik überaus komplex darstellt und die Menschen auf der Straße die politischen Entscheidungen kaum nachvollziehen können, da die Materie immer schwieriger wird, ist es eminent wichtig, diese auch dem Bürger plausibel zu machen. Demokratie ist untauglich, wenn die Politik nur von einigen wenigen Politikwissenschaftlern verstanden wird. 

Die Folgen sehen wir schon deutlich an den Wahlbeteiligungen, wenn die Menschen es aufgegeben haben, Entscheidungen über ihre eigene Zukunft selbst mit zu bestimmen. Alles beginnt mit Nichtverstehen. Daraus erwächst mangelndes Interesse, dann folgt Protest und schließlich Chaos. 

Ein markantes Beispiel ist die Asyl- und Flüchtlingsfrage. Die Politik muss den Menschen erklären, warum wir Flüchtlinge aufnehmen, was bei den meisten durchaus auf großes Verständnis stößt. Aber noch viel wichtiger ist es dann zu sagen, wie alles bewerkstelligt werden soll, also wie viele Flüchtlinge kommen, wo sie untergebracht werden und wie sie am besten mit der Bevölkerung harmonieren können. Auch wollen die Menschen wissen, über welchen Zeitraum in etwa Flüchtlinge beherbergt werden sollen und was mit den Asylsuchenden passiert. Um es auf einen Nenner zu bringen, es müssen Perspektiven erarbeitet werden, sowohl für die Bevölkerung, als auch für die Schutzsuchenden, die für beide Seiten akzeptabel sind. Diese müssen von der Politik ausgiebig kommuniziert werden. Dazu gehört auch auf eine gewisse Opferbereitschaft hinzuweisen, ebenso den hier ankommenden Menschen neben zumutbaren Bedingungen auch ein gewisse Anpassungsfähigkeit zu vermitteln.

Wichtig ist die jeweiligen Ängste und Ressentiments abzubauen und Verständnis für den Anderen zu entwickeln. Dabei muss immer die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Dies umfasst die unterschiedlichsten Punkte. So darf z.B. eine Orts-Bevölkerung nicht mit zu großen Aufnahmezahlen überbelastet werden, Asylanten nicht über Jahre auf ihre Aufnahmeverfahren warten müssen, sondern binnen weniger Monate soll entschieden werden, ob sie Bleiberecht bekommen oder das Land wieder verlassen müssen. Dazu bedarf es mehr Personal, was wiederum Steuergeld kostet. 

Trotzdem wäre es vielleicht sinnvoll hier zu investieren, denn die Kosten für langjährige Aufenthalte sind allemal höher. Auch über die Frage von zwischenzeitlicher Arbeitserlaubnis muss diskutiert werden und zwar so, dass die einheimische Bevölkerung sich dadurch nicht behindert fühlt, sondern es als Unterstützung im Wirtschaftsprozess wahrnimmt. Und es gibt noch eine Menge weiterer Fragen, die die Menschen hierzulande bewegen. Darauf müssen wir alle gemeinsam Antworten finden, die Politik alleine ist damit überfordert. 

Wenn dies nicht gelingt, werden die Zahlen bei den Schweigemärschen an Montagen weiterhin steigen und dies nicht nur in Dresden. Aus einer dubiosen, politischen Randerscheinung namens Pegida wird ein echtes Demokratieproblem, denn die Menschen wollen ihre Meinung nicht mehr mit dem Stimmzettel kundtun, sondern mit Aufmärschen dem Staat Paroli bieten. Und dass dieses nicht gutgeht, haben gerade wir Deutschen schon des Öfteren erlebt. Deshalb kann die Devise nur heißen: Ängste ernstnehmen, zuhören, aufklären und Lösungen suchen, die besonders von den weniger Privilegierten verstanden werden.

Peter J. König

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